

Wiiieeh, wiiuu, piie
Keine Angst, liebe Leser, ich habe weder Gras geraucht noch zu tief ins Weinglas geschaut. Vielleicht versuchen Sie einmal, die Buchstabenfolge etwas heißer, schrill und langgezogen auszusprechen. Mit etwas Fantasie könnten Ihre Laute dann denen des Rotmilans ähneln. Probieren Sie es aber lieber eher im Verborgenen. Es gibt wohl kaum einen Menschen in unserer Region, der den Rotmilan – ob nun bewusst oder unbewusst – nicht schon einmal gesehen oder gehört hat. Den Raubvogel, dessen weltweiter Verbreitungsschwerpunkt Deutschland ist, kann man kaum übersehen oder überhören. Der elegante Flieger mit einer Spannweite bis zu 1,70 Metern ist leicht an seinem rotbraunen Gefieder, an seiner Größe und vor allem an seinem tiefgegabelten Schwanz, der an ein „V“ erinnert, zu erkennen. Und natürlich an seinen markanten Rufen, die Sie ja unter Umständen jetzt auch beherrschen. Trotz seiner Größe wiegt er gerade mal um die 1400 Gramm, was auch seinen hohlen Knochen zu verdanken ist. So macht das Skelett gerade mal 7% des Gesamtgewichtes aus. Es wurden sogar seine Federn gezählt – so um die 6200 Stück. Übrigens ist der Rotmilan ein Zugvogel, der die kalten Monate eigentlich in Spanien verbringt. Eigentlich, denn aufgrund der wärmer werdenden Winter bleiben immer mehr Vögel einfach hier. Bemerkenswert ist auch das Schlafverhalten, denn es sammeln sich bis zu einhundert Tiere in einem einzigen Baum, was für Greifvögel eher ungewöhnlich ist.
Und wie geht es dem Rotmilan so? Nun, es ist ein stetiges Auf und Ab. So stand er bereits auf der Vorwarnliste, aber dank intensiver Schutzmaßnahmen haben sich die Bestände erholt. Gegenwärtig schätzt man diese auf 13.000 bis 15.000 Paare. Entwarnung gibt es jedoch nicht, denn aufgrund seines Jagdverhaltens setzt ihm die moderne Landwirtschaft ordentlich zu. Der Raubvogel ist auf offene Landschaften angewiesen, in denen er ausreichend Kleinsäuger wie zum Beispiel Mäuse jagen kann. Doch meist steht auf riesigen Ackerflächen nur noch eine Pflanzensorte (vorzugsweise Mais oder Raps), die durch intensiven Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln so dicht und schnell wächst, dass der eigentliche Ackerboden regelrecht versiegelt wird – kaum eine Chance auf Beute. Das bekommt in den Monaten Mai und Juni vor allem sein Nachwuchs zu spüren. Auch aus diesen Gründen holt er sich zunehmend Beute aus unserem Abfall, was zwangsläufig zu größerer Nähe und dann zu Interessenkonflikten führt, die leider auch mit Verfolgung, Vergiftung oder Abschuss einhergehen. Hoffen wir, dass diese illegalen Handlungen in der Zukunft eher die Ausnahme bleiben und uns dieser faszinierende Greifvogel erhalten bleibt.
