Der Lautsprecher - Die Mutter des Lebens


Im letzten Lautsprecher-Beitrag ging es ja um den Rotmilan, einem Luftakrobaten der Extraklasse. Leider ist auch er ein Leidtragender der intensiven Landwirtschaft, die seine Jagd mehr und mehr erschwert. Aber was bedeutet eigentlich „intensive Landwirtschaft“? Nun, ein paar Vergleichszahlen (Statistisches Bundesamt) sollen das einmal verdeutlichen. So erntete man im Jahr 1900 auf einer Fläche von 5qm die Menge von 3,15 Kilogramm Kartoffeln. Im Jahr 2000 hatte sich die Menge bereits auf 10,8 Kilogramm mehr als verdreifacht! Wurde hier gezaubert? Eher nicht – der Einsatz des Mineraldüngers hat es ermöglicht. Wurden auf den betrachteten 5qm Ackerbodens im Jahr 1900 nur 1,1 Gramm Dünger aufgebracht, waren es im Jahr 2000 unglaubliche 67 Gramm. Um also den Ertrag zu verdreifachen, wurde der Düngereinsatz versiebenundsechzigfacht (bei dem Wortungetüm jammert sogar die Rechtschreibkorrektur). Und wo Dünger auftaucht, freut sich auch das Wildkraut (fälschlicherweise im täglichen Sprachgebrauch auch als Unkraut bezeichnet). Also drauf mit dem Glyphosat. Um nicht falsch verstanden zu werden – Deutschland hat eine hohe Bevölkerungsdichte und Ackerboden ist wertvoll. Verständlich, dass da aus jeder Krume ein Maximum herausgeholt werden soll. Hinzu kommt, dass Nahrungsmittel in Deutschland billig zu haben sind und so für den Bauern wenig zu holen ist. Also muss er es über die Masse versuchen. Das aber geht zu Lasten unserer Natur und auch zu Lasten der Qualität der Landwirtschaftsprodukte. Höhere Vergütungen für den Bauern, weniger Pflanzenanbau zur Energiegewinnung oder für die Viehhaltung. Lösungen, die nur sehr langsam und auch schwer umsetzbar sind. Aber wir müssen wenigstens damit beginnen. Und wenn man bedenkt, wie dünn die Schicht ist, von der wir leben, dann wird einem klar, dass wir mit ihr sorgsam umgehen müssen. Das Pflanzenwachstum beginnt in der Humusschicht. Und die ist im Schnitt gerade mal 30 Zentimeter dick. Unter normalen Umständen tobt hier das Leben: Würmer, Käfer, Pilze, Algen und Bakterien wandeln in einem ständigen Kreislauf absterbendes Material in den Humus um. Nur in diesem lebendigen Oberboden können Samen zu Pflanzen heranwachsen und gedeihen. Dieser Boden wird zurecht als Mutter allen Lebens bezeichnet, was dann Begriffe wie Mutterboden oder Muttererde nach sich zog. In der intensiven Landwirtschaft wird aber die Mutter des Lebens buchstäblich vergewaltigt. Dünger, Fungizide (Pilzgift), Herbizide (Pflanzengift), Insektizide (Insektengift) - in Summe als Pestizide bezeichnet – sowie die ständige Bearbeitung dieser Lebensschicht töten auf Dauer das Leben im Mutterboden. Die Älteren werden es noch wissen – ganz früher waren die Getreidefelder nicht nur gelb. Es leuchteten blaue Kornblumen, roter Mohn und weiße Kamille mit dem Getreide um die Wette. Heute finden wir diese drei Getreidebegleiter meistens nur noch am Rand – das sind die von der EU geförderte Blühstreifen. Immerhin. Und bei Zweenfurth entdeckte ich dieser Tage ein großes Feld mit Gründüngung. Gibt es also doch noch Hoffnung für unsere Muttererde?
